„Da haben wir aber einiges zu erzählen“… denken wir uns ja immer, wenn wir etwas erleben. Es muss ja nicht immer was Lustiges sein. Z.B. der Strafzettel in der Türkei oder diesmal die Konfrontation mit der Flüchtlingsproblematik. Aber der Reihe nach:
Schon beim Buchen der Überfahrt von Cesme nach Chios (Donnerstag) haben wir ja für Sonntag die Weiterfahrt nach Piräus reserviert. Direkt nach Ankunft der Fähre in Chios konnten wir zwar nicht einchecken, aber tags drauf funktionierte das tatsächlich problemlos und man könnte sogar sagen “schnell”. Das Wetter auf Chios war so schön sonnig und die Insel ist einfach Klasse zum Radfahren (zumindest auf den sehr ruhigen Straßen, das Gelände konnten wir nicht erkunden). Leider haben wir nur sehr eingeschränkte Rad-Kilometer absolvieren können (Harald mehr als ich), deshalb hat es uns echt leid getan, dass wir nicht länger bleiben konnten.
Der Plan in der warmen Wohnung richtig gesund zu werden, ist bei mir nicht aufgegangen, die Versuchung beim ersten Sonnentag aufs Rad zu steigen war einfach zu groß – naja Dummheit muss leiden.
Davor haben wir übrigens einen Tag wie “richtige” Touristen verbracht, haben die Insel mit dem Auto erkundet und zielsicher den genialsten Platz in einer Bucht, Taverne mit Tischen am Wasser und gutem Essen angesteuert, nachdem wir einige alte (und derzeit ausgestorbene) Dörfchen angeguckt haben. Die Bedienung holt irgendwann eine Klampfe (heißt sicher anders) hervor und beginnt wirklich schön zu spielen und zu singen … wie in einer kitschigen Griechenlandreklame. Wir finden es super.
Da Chios durch die Flüchtlingsproblematik “berühmt” geworden ist, sind wir natürlich sensibilisiert und sehen tatsächlich auch immer wieder ungriechisch aussehende Menschen die Straßen entlangwandern. Wo kommen sie her, wo wollen sie hin, welche Perspektive haben sie, was erwartet sie… viele Fragen bleiben für uns offen. Aber das Gefühl durch den Zufall der Geburtsumstände auf der Habenseite der Gesellschaft zu stehen, grummelt ungut im Magen und lässt zumindest das Jammern über unser bisschen Husten verstummen.
Die Fähre nach Piräus (Athen) geht nachts 23:00h. Wir dürfen bis 18:00h im Zimmer bleiben, machen uns dann auf nach Chios und schlagen dort etwas die Zeit tot. Wir finden um 18:30h (sonntags!) noch eine geöffnete Apotheke und ich rüste auf mit Pillen gegen Seekrankheit und Paracetamol. Nach gefühlten 100 Runden Backgammon watscheln wir langsam zum Hafen – was ein Durcheinander: Menschen mit viel und wenig Gepäck, Autos parken kreuz und quer, Lkws rangieren hin und her, dazwischen viel Militär und Polizei. In einem etwa 20qm großen “Käfig” stehen ca. 30-40 Menschen: Flüchtlinge? Als wir an der Einfahrt fragen wollen, ob wir uns schon einreihen dürfen, werden gerade zwei junge Männer in Handschellen abgeführt. Flüchtlingsnot hautnah – wir würden gerne verstehen was hier passiert. Dürfen die Menschen in dem Käfig (“no, that isn’t a cage”) mit nach Piräus?
Karlchen reiht sich ein in die Pkw-Schlange. Es gibt nur Pkws und Lkws – keine Touribusse, keine Weißware, nicht mal ein Gammelcamper von einem Alt-68-iger.
Auf der Fähre sucht man sich ein Plätzchen, rollt seinen Schlafsack oder was auch immer aus und versucht zu schlafen – uns gelingt das nicht und so wandeln wir nach acht Stunden etwas wackelig zurück zu Karlchen und stürzen unversehens ins morgendliche Athengetümmel. Irgendein guter Geist führt uns zum Strand bei Glyfada – sehr ruhig. Wir parken und versuchen erneut zu schlafen.
Als wir nach 2h aufstehen sind wir fast eingeparkt, 10m vor uns in den Felsen wird gegrillt und etliche krasse Griechen springen ins Wasser! Nicht um einmal hoch- und runter zu kraulen – nein – die Damen haben ihr Badehäubchen / Sonnenhut auf und treiben stundenlang im Wasser. Unglaublich. Es sind 10 Grad!
Die Truppe scheint Camper gewöhnt zu sein, denn ihre Vorräte reichen für uns mit und der Reihe nach wird uns erst ein Quiche, ein Brot mit gebratenem Speck, ein Schnaps, eine süße Nachspeise gebracht bis schließlich ein Grieche, der nur “aus Krefeld” sagen kann, uns auch noch eine Flasche Wein in die Hand drückt. Wir sind beschämt und finden einfach nichts im Karlchen, mit dem wir uns bedanken können.
Weiter geht’s. Nach Internetrecherche, was denn unsere orange blinkende Truma Kombi CP Classic bedeuten könnte (die Heizung geht nicht an!) entscheiden wir uns ohne Umweg über den Camperclub Pallini (Retter aller Camper in Griechenland, bei technischen Problemen – siehe auch 5. Dezember ) direkt nach Korinth zu fahren.
Wir genießen hier die Sonne, wärmen uns im Dörfchen bei Ancient Korinth auf und freuen uns auf ein paar schöne Tage. Hoffentlich sind wir bald wieder fit genug auch die weitere Umgebung erkunden zu können – hier gibt es einiges zu sehen, bevor wir weiter nach Süden fahren.