Zurück durch das Nadelöhr nach Griechenland

Von Dänemark nach Norwegen, von Schweden nach Finnland weiter nach Estland jeweils mit der Fähre – kein Thema: Gebucht, gezahlt, ruckzuck drauf und gefahren. So überrascht uns das Problem, dass es anscheinend (in der off-season?) gar nicht mal so leicht ist, von der Türkei über den Seeweg nach Griechenland zu gelangen. Solche Verbindungen sind rar und fahren nicht täglich – eine direkte Linie z.B. zwischen Piräus und Izmir gibt es nicht (mehr?). Von Cesme setzt man ein paar Seemeilen auf die Insel Chios über – von dort gibt es dann eine Überfahrt nach Piräus. Dies ist die Route, für die wir uns entschieden haben.

Das Wetter ist seit einigen Tagen ungemütlich, es weht ein stürmischer kalter Wind. Anscheinend genug, dass die Fähre nach Chios im Hafen liegen bleibt, so wild ist es allerdings nicht, denken wir uns als Landratten. Da haben wir schon heftigeres gesehen, zudem fuhr gestern eine Fähre in Sichtweite von Cesme vorbei. Wir sind in knapp drei Wochen nur zwei Mal auf dem Rad gewesen – entsprechend wenig (körperlich) müde sind wir und schlafen schlecht. Zwar gibt es eine historisches Castle zu bewundern, zwar ist die Strandpromenade schön, Karlchen ist nicht zugeparkt und wir könnten das Umland mit dem Auto erkunden, aber es fehlt uns Gestrandeten und (inzwischen beide) Kränkelnden ein wenig die Energie, dem Tag „touristische Substanz“ zu geben.

Donnerstag morgen dürfen wir dann doch los. 7.30 Uhr klingelt der Wecker, für uns seit Monaten undenkbar, zu dieser Zeit aufzustehen. Hilft aber nix. Sind aber nur ein paar Schritte zum Check-In, da wir mit Karlchen wieder an der Marina übernachtet haben. Die „Prozesse“ sind optimierungsbedürftig, aber wir sind es inzwischen gewohnt, dass hier zu dieser Jahreszeit alles etwas laaaangsamer geht. Auch die Flüchtlingsproblematik betrifft uns: Nach mehrfacher Durchsuchung Karlchens sowie X-Ray -Scanning dürfen wir (ach du Schreck: rückwärts) an Bord. Nur zwei Trucks, ein weiterer Camper, zwei PKW, sowie eine Bike-Packerin (Respekt!) und zahlreiche Tagestouristen (u. a. Residenten zur Visumsverlängerung) sind an Bord. Unser Verdacht: Nicht das Wetter, sondern die Auslastung bestimmt den Fahrplan. Eigentlich ist Chios in Sichtweite, jedoch dauert die Fahrt länger als geplant, es schaukelt auch heftiger als erwartet, aber dann erreichen wir nach etwas über einer Stunde den Hafen von Chios-Stadt und sind tatsächlich etwas wehmütig, dass wir die Türkei mit seinen vielen netten und herzlichen Menschen (jetzt schon) verlassen haben. Aber das schlechte Wetter hat uns mürbe gemacht, es zieht uns wieder nach Griechenland mit seinen (unserer dilletantischen Meinung nach) vielfältigeren Optionen der Kälte zu entfliehen. Wir sind halt in der Tiefe unserer Seele deutsche Spießer und zu wenig Abenteurer/ Globetrotter/ Weltenbummler… “Genießen sie Europa, solange es noch geht,” hieß es doch mal so oder so ähnlich in den frühen 80ern bei der Combo “Geier Sturzflug” (allerdings in einem anderen Kontext, wenn ich mich recht erinnere).

Unsere Fähre nach Piräus geht Sonntag Nacht. Auf Chios gibt es (anscheinend) keine Campsites. Drei Tage frei stehen wollen wir aber in unserem Zustand nicht: Ohne Karlchen beleidigen zu wollen – zwei Kranke drei kalte Tage auf so engem Raum und mittelfristig fehlenden Entsorgungsmöglichkeiten für das Chemie-WC geht eher nicht. Nach wenigen Clicks finden wir eine nett direkt am Meer gelegene Unterkunft mit Meerblick, Küche, Heizung usw. für schlappe 25,-€ die Nacht. Muss man da überlegen, wenn man ununterbrochen am Frieren, am Husten und am Niesen ist? Nein, oder?

Mal sehen, ob wir die Tage nutzen können, um wieder gesund zu werden. Die Sonne soll jetzt wieder häufiger scheinen – wenn bloß der kalte Nordostwind nicht wäre.

Erfolgserlebnis: Es gelingt uns bei der örtlichen PTT bei diesem freundlichen Herrn unseren Strafzettel zu bezahlen. Auf dem Handy ist sein Onkel zu sehen, der in Bruchköbel das „griechisch-türkisch-italienische“ Restaurant „Agäis“ betreibt. Dann haben wir nach unserer Rückkehr ja schon ein Ziel
Es ist Off-Season: Gelegenheit mit den Leuten (meist: Gastwirten) in‘s Gespräch zu kommen (Fußball ist immer ein gutes Einstiegsthema, alle lieben Jürgen Klopp). Wir essen hervorragend im Restaurant Damaki. Und zählen an der Wand des liebevoll restaurierten 180 Jahre alten Hauses mehr als zwanzig Atatürk-Porträts („behause all the liberal and secular people Of Turkey like him“)
Fundsache: Am Strand von Cesme finden wir als Strandgut ein kaputtes Schlauchboot – ungute Gedanken an die Flüchtlinge, die hier oft den Weg nach Chios suchen – dort sollen immer noch unzumutbare Zustände in den Flüchtlingslagern herrschen. Unvermeidlich auch die wohlgenährten und wohl deswegen istanbulerisch, chilliest Straßenhunde, die unsere ständigen Begleiter sind.
Abendgestaltung: Bier und Backgammon im (warmen) örtlichen Pub – begleitet von Karaoke-Musik. Neben Rap ist die türkische Version von Gloria Gaynor‘s „I will survive“ Pflichtprogramm bei den (meist jungen) Leuten hier.
Seit Tagen stehen die Fähren still. Mal sehen, wann wir eine Passage bekommen. Die Stromleitung stört ein wenig die Bildkomposition, aber so ist wenigstens die türkische Flagge zu sehen, die über dem Castle weht
8.00 Uhr: Die Fähre ist doch kleiner als erwartet, aber das Wetter sieht doch ganz gut aus
Eine weitere erniedrigende Erfahrung: Gestenreich versucht ein türkischer Einweiser mir beim Einparken zu helfen. Die wilden Handzeichen verwirren mich aber mehr als dass sie helfen, aber wir haben ja Zeit hier in der Türkei. Ich habe das rechte Fahrzeug eingeparkt, nicht das linke…
Blick zurück in die Türkei: Beide Länder haben viel Ähnlichkeiten (Essen, Trinkgewohnheiten, Musik …. Sttaßenhunde)
Zurück in Griechenland: Ein paar Kilometer außerhalb von Chios-Stadt hält die Insel Winterschlaf.
Karlchen – Suchbild: Die Appartments Platsa liegen direkt am Meer und wir genießen noch ein paar letzte Sonnenstrahlen, bevor (jetzt schon wieder ziemlich früh) die Dämmerung einsetzt
„Kann man eigentlich nicht Maulen“, sagen wir uns immer bei solchen Abendausblicken.

2 Antworten auf “Zurück durch das Nadelöhr nach Griechenland”

  1. Hallo Ihr Zwei – hab einen Catch Up gemacht und Euren Block gelesen. Das liest sich alles sehr gut und die vielen tollen Orte verursachen Fernweh. BTW. das Bilder schauen dauert länger als das Lesen. Das liegt aber primär an den vielen Karlchen- und Harald-Suchbildern :-). Ich wünsche Euch weiterhin viele tolle Erlebnisse, tolle Trails und interessante Begegnungen. Gruß Dirk aus Mainz.

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