Naja, vielleicht nicht wirklich…aber erstmals hat Harald nicht nur den Rasierer sondern auch die Schere in die Hand genommen, um meine Haare (nicht seine) zu stutzen. Nachdem er mir sagte, ich solle mir doch mal ne Kurzhaarfrisur zulegen, gab es kein Pardon mehr. Bisher hat er sich immer gesträubt und ich konnte nur rasieren, wo ich dran komme…
Überraschend finde ich auch, dass nicht nur Minimaus Haralds Herz erweicht hat, sondern jetzt auch ausgewachsene, (5-8*mal so schwere) Kater in Karlchen dürfen und von Harald in den Schlaf gekrault werden. (Harald: Mir fehlt das abendliche Lagerfeuer, in das ich starren kann.)
Nicht ganz so überraschend ist, dass Harald unsere Trittstufe, mit viel Geschimpfe zwar, aber dann doch wieder festgedängelt gekriegt hat. Wir hatten zwar nicht das passende Werkzeug und auch eine fette Unterlegscheibe hat uns gefehlt, aber damit und mit guten Ratschlägen konnte uns Dauercamper und Nachbar Hans aushelfen. Cool die beiden – Erika und Hans – kommen seit 14 Jahren hierher, „Aber nicht mehr lange“, meint Hans … „warum nicht, ist doch besser als in Deutschland?“… er sei jetzt 84 und man müsse den Tatsachen ins Auge sehen. Gehen aber zweimal am Tag schwimmen und haben dafür gesorgt, dass hier nur gesunde (und überschaubar viele) Katzen sind.
Auch dass wir dauernd Trümmer anschauen (müssen?) war so nicht zu erwarten (Harald: Stimmt, wir sind ja auch nur in Griechenland). Ich finde auf der riesigen Ausgrabungsstätte in Messini genau zwei hochinteressante Dinge: eine Eidechse, die ich minutenlang beim Atmen beobachten kann und einen Krebs, der auf wundersame Weise in ein abgeschlossenes Auffangbecken gekommen sein muss – irgendwo in mir scheint noch die Biologin zu stecken. Harald findet dann doch die Reste der Tempel, des Stadions, des Ringerhauses, der Flaniermeile und der Bodenmosaike aus den Zeiten der Messener und später der Römer interessanter. Ich werde wieder im Kaffeehaus wach, wo wir einen tollen Ausblick haben (siehe unten: Auenland) und bei der Einfahrt in den „Parkplatz“ der Taverne, die wir als unser Abenddomizil auserkoren haben. Schissig, wie wir sind, trauen wir uns nicht um die enggemauerte Kurve und fahren stattdessen geradeaus in den Hof einer Olivenpresse. Ein Fehler. Sowohl bei der Einfahrt als auch bei der Ausfahrt gibt es ein sehr unschönes Geräusch, welches von uns sofort als „Scheiße, die Trittstufe“ eingeordnet wird. Siehe oben: alles reparabel.
In der Taverne bekommen wir nicht nur lecker und günstig Essen und Wein, sondern lernen auch eine nette Griechin kennen, die aufgrund der Krise ihren Job in Athen verloren hat und mit der Familie ins Dorf ihres Mannes ziehen musste. „it‘s not easy“. Die Griechen verdienen durchschnittlich 500€, haben mehrere Jobs und sie erzählt uns, dass sie für ihren Sohn 200€ im Monat zahlt, damit er aufs College vorbereitet wird – „public school is not able to.“ Da läuft auch nicht alles richtig.
Weniger überraschend ist übrigens auch, dass hier nur Trash im Fernsehen läuft – wie bei uns – Game- und Talentshows und Soaps … und alle starren hin. Die Griechin, die in einem Bookstore gearbeitet hat und Wim Wenders Filme mag, kann sich gemeinsam mit uns darüber echauffieren (die Männer in Khakihosen, die uns stolz Bilder von erlegten Wildschweinen zeigen und dem Programm gebannt folgen, können uns zum Glück nicht verstehen).
Harald: Überraschenderweise ist hier immer noch alles grün, nicht nur die Olivenbäume, die auch hier fleißig abgeerntet werden, sondern auch die Straßenränder und Brachflächen sind von Gras und Blumen überzogen.
Nach den Trümmern in Messini fahren wir nach Kalamata, das Wetter zwingt uns ein bisschen das Programm auf – zum Radfahren ist es einfach zu unbeständig und regnerisch angesagt. Überraschenderweise schwitzen wir auf dem Weg zur Burg und durch die Stadt. Man merkt, dass wir uns auf Höhe von Tunis befinden.
Jetzt sind wir aber wieder in einem Bike-Revier, haben bereits Bekanntschaft mit dem Ehepaar, welches den hiesigen Bikeshop betreibt, gemacht und sind endlich wieder eine Tour gefahren und auch trocken geblieben.
Ist es überraschend, dass nach Behandlung des Bikes durch den griechischen Mechaniker der rechte Kurbelarm fast abgefallen ist – nicht überraschend jedenfalls, dass Harald stinksauer war „I’m a bit angry – no, I’m totally pissed off.“
Inzwischen ist die Kurbel fest, das Bike macht nach einem erneuten Kettenwechsel nach nur sechs Wochen deutlich weniger Geräusche, die Wetteraussichten haben sich gebessert und wir freuen uns echt auf ein paar schöne Touren in diesem vielversprechenden Revier.