Gegensätze

… prägen die Tage seit unserem letzten Posting. 

Gegensätzlich stellt sich nicht nur das Wetter dar. Zwei „geschenkte Tage“ könnte man unsere Zeit an der Makarska Riviera nennen: Perfektes Bikewetter. Weitere zwei tolle Biketouren in Franes Heimat.

Wir tasten uns langsam ran und fahren eine 43km Tour – erst flach an der Küste entlang, passieren zahlreiche kleine Buchten und zwei Orte, bevor es Richtung Berge geht. Und sofort wird es steil, richtig steil. Noch bevor wir auf Höhe der Bundesstraße sind, verlieren wir unseren Track, suchen und finden eine Treppe, die uns dann auch die letzten 30 Höhenmeter hinaufführt. Und just dort oben treffen wir Teo, natürlich kennt er Frane und klar, hat er seit 15 Tagen nicht mehr auf dem Bike gesessen, es ist schließlich Olivenernte ;-).Nur 1100 Hm habe wir auf der Uhr – es fühlt sich nach deutlich mehr an.

Nächster Tag: „Vom Hochfahren auf den Berg wird zu dieser Jahreszeit abgeraten (hatten wir eh nicht vor: 3h steil hoch von 0 auf 1750 hm auf Straße, braucht man ja nicht unbedingt)“ hatten wiring letzten Blogeintrag geschrieben.

Was interessiert uns unser Geschwätz von gestern, also doch hoch auf den „Sveti Jure“ (dem heiligen Georg). Auf dem Portal quäldich.de ist zu lesen: „Der Sveti Jure (…) ist eine grandiose Herausforderung für Radfahrer: Wo kommt man schon mit 1700 hm am Stück auf einen Aussichtpunkt 5 km Luftlinie entfernt von einer der schönsten Küsten Europas?“ Beim Anblick des majestätischen Biokovo-Massivs werden wir nicht nur von ehrfürchtiger Bewunderung ergriffen, sondern entwickeln auch einen gewissen Respekt als uns der Mann an der Mautstation nach unseren Wasservorräten fragt und wir uns an den Kommentar von Teo erinnern: „Very steep…“

Tatsächlich steigt die Straße aber recht angenehm – selten über 10 Prozent – innerhalb von 30 Kilometern von Null auf 1.750 Meter Höhe an – sie ist damit die am höchsten gelegene asphaltierte Straße in Kroatien. Die Serpentinen, die auf den – zugegeben etwas zähen – letzten Kilometern zum Gipfel führen, erinnern uns an das Stilfser Joch. Drei Stunden brauchen wir. Der Blick vom Gipfel ist fast unwirklich schön. 30 km Abfahrt fast ohne Treten zum Craft-Bier im Rooster Pub im Hafen von Makarska gibt’ s obendrauf, wir genießen noch einmal die wärmende Sonne. Im Gegensatz zu gestern sind wir deutlich weniger müde, trotz annähernd doppelter Höhenmeterzahl.

In der Hafenbar „zuhause“ in der Marina Ramova werden wir von den Hafenarbeitern zu einem Getränk eingeladen. Aus welchem Grund? „Es ist Allerheiligen.“ Wir: „Wie doch überall im christlichen Europa…“ Antwort: „Aber hier besonders.“ Aha…

Dann erwischt uns samstags doch der Regen und wir verlassen schweren Herzens das Camp Krvavica. Mirko fällt der Abschied nicht ganz so schwer, denn jetzt kann er hinter uns abschließen und die Saison 2019 beenden. Die Oliven sind auch alle gepflückt, im Gepäck haben wir eine Flasche Öl aus dem letzten Jahr. Vielen Dank, Mirko, für die Gastfreundschaft (und die sensationellen Duschen ;-))

Die Küstenstraße D8 führt uns ca. 60 km weiter nach Süden bevor wir ins Landesinnere Richtung Bosnien abbiegen. Wenn schon kein Bike-Wetter, dann doch ein wenig Geschichte und Kultur, denken wir uns.

Mit „gefährlichem“ Halbwissen im Gepäck überqueren wir die kroatisch-bosnische Grenze (sicherheitshalber haben wir noch ein Abschleppseil erworben – Tipp der letzten Reisebekanntschaft). Kurz vor knapp haben wir die „grüne Versicherungskarte“ in den Tiefen unseres Handschuhfachs gefunden (Sorry, Alina!), die wir dann auch stolz der bosnischen Grenzerin vorzeigen. Weiter geht es bis kurz vor Mostar, wo wir im Autocamp Bagajl einchecken und sehr, sehr, sehr herzlich begrüßt werden. 15 Euro pro Nacht seien für Bosnien sehr teuer, schreibt Park4Night – der Preis relativiert sich durch den täglich dargebotenen Früchteteller (gefühlt ein Kilogramm) und kostenlosem Kaffee wahlweise Kakao.

Eine Taxifahrt („a friend of mine…“) bringt uns gegen 16.00 Uhr nach Mostar. Mit ungefähr 110.000 Einwohnern ist Mostar die größte Stadt der Herzegowina und die sechstgrößte Stadt des gesamten Landes. Eine Stadt, die während der Balkankonflikte in den neunziger Jahren die ganze Sinnlosigkeit und Brutalität des Krieges zu spüren bekam: ethnische „Säuberungen“, Zerstörungen und Leiden völlig unschuldiger Menschen auf allen Seiten – welchen auch immer.

Und dann sind wir wieder bei den Gegensätzen: Während der Muezzin durch die Straßen tönt, schieben sich jede Menge (wieder mal auffällig viele japanische) Touristen, durch die teils sehr engen und durch den Regen rutschigen Gassen und mit den Regenschirmen wird Tetris gespielt. Von den Nachwirkungen des Krieges ist im Zentrum der Altstadt nur wenig zu erkennen, da die restaurierten Fassaden, Wege und natürlich die Stari Most in neuem Glanz erstrahlen (Mostar heißt übrigens „Brückenwächter“).

Wir bewegen uns nur wenig weiter, weg vom touristischen Zentrum, und stoßen auf zahlreiche Gebäude, die von Kugeln und Granaten „stark in Mitleidenschaft gezogen wurden“, um es vorsichtig auszudrücken. Die einbrechende Dunkelheit macht die Atmosphäre noch bedrückender. Wir besuchen das „Museum of War and Genocide Victims 1992-1995“. Nach etwas mehr als einer Stunde verlassen wir die Ausstellung. Wir wussten bereits einiges über diesen unfassbaren Krieg mitten in Europa, der nicht einmal eine Generation zurück liegt, aber die Gezeigten Artefakte, Bilder und Videos sowie die Geschichten der Opfer sind schon eine andere Nummer. Die Brutalität, zu der (jeder?) Mensch getrieben werden kann (aus welchem Grund auch immer) ist ernüchternd und schwer zu ertragen. Wir brauchen ein paar (sehr leckere, bosnische) Biere im „Craft Beer Garden“, um runterzukommen.

Warum empfanden wir die Ausstellung jetzt als bedrückender als Auschwitz oder Buchenwald, obwohl die dort gezeigten Verbrechen um einiges monströser und gewaltiger waren? Vielleicht weil wir wissen, dass jeder Einwohner in unserem Alter, den wir hier treffen eine Kriegsvergangenheit hat und fast mit Sicherheit Angehörige verloren hat. Oder …(nein, das will man gar nicht so genau wissen).

Ein weiterer Gegensatz ist weit profaner: Du bist ein richtiger Radfahrer, wenn du problemlos viereinhalb Stunden Radfahren kannst, aber nach einer knapp zweistündigen Wanderung zu Burgruine oberhalb von Blagaj (8 km /265 hm) fix und alle mit einer Aussicht auf Muskelkater im Bus hockst.

Teo. Nicht nur an seiner Figur ist leicht zu erkennen, dass er Biker ist – sein T-Shirt verrät ihn
Leider nicht so gut zu sehen…. Steinhütte mit 50er Jahre Holzofen und netten alten Herrn, der uns anbot etwas zu kochen….
Schon die Tour „auf halber Höhe“ (eigentlich eher ein Drittel) bringt schöne Aussichten… abgesehen vom Strommast
Im Hintergrund das Biokovo-Massiv, da geht es morgen rauf
Immer noch auf 300 hm, sieht aus wie direkt am Wasser
Relaxen am der Promenade von Makarska in der Rooster Bar

Im Naturschutzgebiet Biokovo gibt es noch freigebende Pferde. Sie scheinen aber an Menschen gewöhnt zu sein.,,

Erste Blicke auf das Meer (mal wieder) während des Aufstiegs zum Sveti Jure. Hier haben wir schon 400hm hinter uns

800 Hm geschafft

Oben
Suchbild
Noch mehr Getier
Mostar
Die (wieder aufgebaute) Brücke Stari Most
Auch Mostar
Craft Beer Garden – Genu das richtige, um auf andere Gedanken zu kommen
Dank EU-Förderung ging‘s angenehm auf schön angelegtem Sepentinenweg zur Burgruine

Leider gab es keinen Lift bergab

2 Antworten auf “Gegensätze”

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